Kapitel 1.3 – Gefühle wahrnehmen
Gefühle sind etwas, das wir nicht bewusst lernen müssen. Sie sind einfach da – genauso selbstverständlich wie Ein- und Ausatmen. Und trotzdem kennen viele Menschen ihre eigenen Gefühle nur oberflächlich. Wir merken oft, dass da etwas ist, aber wir verstehen kaum was da ist oder warum.
Manchmal fühlt sich ein Gefühl leicht an, warm, freundlich – so ein kleines inneres Ja. Und manchmal ist es groß und strahlend, fast überwältigend schön. Andere Gefühle drücken, ziehen, machen eng oder schwer. Dazwischen gibt es unzählige Abstufungen, und jeder Mensch spürt diese Nuancen ein wenig anders.
Was fast immer stimmt: Gefühle und Gedanken treten selten allein auf. Es ist, als würden sie gemeinsam durch dieselbe Tür kommen. Ein Gedanke – bewusst oder unbewusst – und kurz danach ein Gefühl, das darauf antwortet. Manchmal merken wir zuerst den Gedanken, manchmal zuerst das Gefühl. Beides ist normal.
Und dann gibt es noch etwas, über das man selten spricht: Wir können Gefühle fühlen – oder wegdrücken.
Viele Menschen haben das Wegdrücken früh gelernt. Aus Angst. Aus Überforderung. Weil niemand da war, der ihnen gezeigt hat, wie man mit starken Gefühlen umgeht. Und ja, Wegdrücken funktioniert – aber nur für eine Weile. Gefühle verschwinden dadurch nicht. Sie lagern sich im Körper ein, sie tauchen später wieder auf, und manchmal werden sie sogar stärker, weil wir sie so lange ignoriert haben.
Gesünder ist es, Gefühle wirklich zu fühlen. Nicht dramatisch. Nicht übertrieben. Nicht stundenlang. Sondern einfach bewusst.
„Da ist etwas. Ich spüre es. Ich muss noch nicht wissen, was es ist.“
Das ist der Moment, in dem sich etwas löst. Weil Gefühle gesehen werden wollen. Wenn wir ihnen nur einen kurzen Augenblick Raum geben, verlieren sie oft ihren Schrecken.
Gefühle wahrzunehmen heißt also nicht, sie analysieren oder sofort verstehen zu müssen. Es heißt nur: bereit sein, ihnen nicht auszuweichen. Und genau dort beginnt Bewusstsein.