Kapitel 1.7 – Probleme wälzen oder wahrnehmen?

Veröffentlicht am 12. Dezember 2025 um 10:10

1.7 Probleme wälzen oder wahrnehmen?

Viele Menschen glauben, sie denken intensiv über ein Problem nach – und merken dabei nicht, dass sie längst im Grübeln feststecken.

Grübeln fühlt sich aktiv an. Es wirkt, als würde man sich ernsthaft mit einer Situation beschäftigen. In Wahrheit bewegt man sich jedoch oft in einer Gedankenschleife, die immer wieder zu denselben Fragen und denselben Antworten zurückführt.

Genau darin liegt das Problem.

Grübeln bedeutet, gedanklich um ein Thema zu kreisen, ohne dass sich der Blickwinkel verändert.

Die Gedanken laufen in Schleifen: Warum ist das so? Was hätte ich anders machen sollen? Was, wenn es nie besser wird?

Je länger diese Schleife anhält, desto enger wird der innere Raum. Neue Perspektiven tauchen nicht auf – nicht, weil es sie nicht gäbe, sondern weil der Fokus vollständig am Problem haftet.

Grübeln verbraucht viel Energie und erzeugt gleichzeitig das Gefühl, festzustecken.

Solange wir grübeln, ist unser Denken gebunden. Es kreist um das, was nicht funktioniert, um das, was fehlt oder schiefgelaufen ist.

In diesem Zustand gibt es keinen freien Blick auf mögliche Lösungen. Nicht, weil wir unfähig wären, sondern weil unser Geist immer wieder an denselben Punkten landet.

Das Entscheidende ist: Oft fällt uns gar nicht auf, dass wir grübeln.

Wir halten es für Nachdenken, für Verantwortungsbewusstsein, für Problembearbeitung. Dabei ist es genau das, was uns innerlich festhält.

Der entscheidende Moment ist nicht der, in dem wir eine Lösung finden.

Der entscheidende Moment ist der, in dem wir bemerken: Ich grüble gerade.

Dieses Wahrnehmen verändert noch nichts im Außen. Aber es verändert die innere Haltung.

Wir steigen aus der Schleife aus und nehmen eine beobachtende Position ein. Nicht, um sofort anders zu denken – sondern um überhaupt wieder sehen zu können.

Wahrnehmen heißt hier: Ich erkenne, dass mein Denken gerade kreist. Mehr nicht.

Und genau das öffnet Raum.

Nicht jedes Grübeln ist willentlich steuerbar.

Es gibt Formen von gedanklichem Erleben – etwa Flashbacks oder Intrusionen –, die traumabedingt sind und sich nicht einfach beenden lassen.

In solchen Zuständen hilft weder Lösungsdenken noch der Versuch, positiv oder anders zu denken. Hier braucht es Sicherheit, Stabilisierung und oft professionelle Begleitung.

Diese Formen sind kein Zeichen von Unfähigkeit, sondern Ausdruck eines Nervensystems, das versucht, mit überwältigenden Erfahrungen umzugehen.

Dieses Kapitel bezieht sich auf das alltägliche Grübeln, das uns unbemerkt in gedanklichen Schleifen hält – und genau dort ist Wahrnehmen der erste, sanfte Ausstieg.

Reflexionsfragen:

Woran merke ich bei mir, dass ich nicht mehr nachdenke, sondern grüble?

Welche Gedanken kehren dabei immer wieder zurück?

Wie fühlt sich mein Körper an, wenn ich in einer Gedankenschleife bin?

Kann ich für einen Moment wahrnehmen, dass ich grüble – ohne es sofort verändern zu wollen?