Kapitel 1.9 – Der Autopilot

Veröffentlicht am 15. Dezember 2025 um 07:48

Kapitel 1.9 – Der Autopilot

Warum wir feststecken, obwohl wir es sehen

 

Nach dem Wahrnehmen der Opferfalle taucht oft eine neue Frage auf: Wenn ich schon so viel erkenne – warum verändert sich dann trotzdem nichts?

Warum bleibt das Gefühl von Alternativlosigkeit bestehen, obwohl ich doch sehe, dass ich feststecke?

Eine mögliche Antwort darauf ist der Autopilot.

Was mit Autopilot gemeint ist

Der Autopilot ist kein Fehler und keine Schwäche. Er ist ein menschlicher Zustand.

Er übernimmt, wenn wir müde sind, überfordert, gefordert, im Funktionieren. Dann greifen wir auf Gewohnheiten zurück, auf bekannte Reaktionen, auf das, was wir schon tausendmal gemacht haben.

Im Autopiloten handeln wir nicht bewusst – wir reagieren. Nicht, weil wir unfähig wären, sondern weil unser System auf Sicherheit eingestellt ist.

Der Autopilot hilft uns, durch den Alltag zu kommen. Aber er hat einen Preis: Er lässt wenig Abstand zu dem, was in uns passiert.

Autopilot und Opferfalle

Im Autopiloten fühlt sich vieles festgeschrieben an. Entscheidungen wirken vorgegeben. Möglichkeiten werden kaum wahrgenommen.

So entsteht das innere Erleben:
So ist es halt.
Ich kann eh nichts ändern.

Die Opferfalle ist in diesem Sinn kein Charakterzug und auch kein bewusstes Opfersein. Sie ist ein Zustand, der entsteht, wenn der Autopilot das Steuer übernommen hat und kaum Raum für inneren Abstand lässt.

Man sieht das Problem – aber nicht den Spielraum.

Autopilot und Grübeln

Oft zeigt sich der Autopilot nicht nur im Tun, sondern auch im Denken.

Grübeln fühlt sich an wie intensives Nachdenken. In Wahrheit ist es meist ein Kreisen ohne Unterbrechung.

Gedanken laufen immer wieder dieselben Bahnen entlang. Sie beschäftigen uns, aber sie bringen keine Bewegung.

Grübeln ist deshalb kein Zeichen von Tiefe, sondern häufig ein Zeichen dafür, dass der Autopilot auch im Kopf aktiv ist.

Ein sich stabilisierender Kreislauf

Autopilot, Opferfalle und Grübeln hängen eng zusammen.

Der Autopilot hält das System am Laufen. Die Opferfalle erzeugt das Gefühl von Nicht-Wahl. Grübeln versucht, einen Ausweg zu finden – ohne den Zustand wirklich zu unterbrechen.

So entsteht ein Kreislauf, in dem vieles erkannt wird, aber wenig ins Fließen kommt.

Und genau deshalb reicht Wahrnehmen manchmal noch nicht aus, um sofort Veränderung zu erleben.

Warum auch das noch Wahrnehmen ist

Dieses Kapitel will nichts auflösen. Es will nichts verändern. Es will nur sichtbar machen, was wirkt.

Wahrnehmen heißt hier: zu sehen, dass nicht nur ein einzelnes Problem da ist, sondern ein innerer Mechanismus.

Allein dieses Sehen kann entlasten. Nicht, weil es etwas löst, sondern weil es Schuld und Selbstvorwürfe relativiert.

Man steckt nicht fest, weil man zu wenig verstanden hat, sondern weil der Autopilot gerade stärker ist als die bewusste Präsenz.

Und auch das darf erst einmal so sein.